Medikamente in der Stillzeit


Medikamente in der Stillzeit und „Wann darf ich mein Baby/Kleinkind nicht stillen?“

„Ich werde Ihnen erst das Medikament verschreiben, wenn Sie nicht mehr stillen.“ „Sie müssen nach der Einnahme eine Stillpause machen.“

„Na das geht erst, wenn Sie abgestillt haben.“
„Ihr Kind ist jetzt alt genug, um auf die Brust ein paar Tage zu verzichten.“

Dies sind häufige Aussagen von Ärzten, weswegen mich stillende Frauen kontaktieren. Deren Frage lautet dann natürlich: „Was mache ich nun? Muss ich wirklich Abstillen?“

Heutzutage gibt es für fast jedes Medikament eine stillfreundliche Alternative. Es gibt einige Institute, wie z.B. „Embryotox“ (auch als App erhältlich) – ein Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, der Charité-Universitätsmedizin Berlin -, Reprotox, LactMed – eine Seite auf Englisch, basierend auf Studien und wissenschaftlicher Literatur.

Natürlich ist es sinnvoll eine Stillberaterin und ebenfalls einen Arzt aufzusuchen, leider steht in den Beipackzetteln allzu oft „in der Stillzeit nicht erlaubt“, obwohl die Studienlage zeigt, dass es keine Auswirkung auf das gestillte Kind hat. Bitte doch deinen Arzt bei einem der genannten Seiten nachzuschauen, welches Medikament er dir verschreiben kann. Die Auswirkungen einer Stillpause oder gar eines Abstillens werden oft nicht in Betracht gezogen, sind aber enorm und somit ist ein gründliches Abwägen der Pro und Contra Argumente sehr wichtig.

Bei den Medikamenten kommt es auf verschiedene Aspekte an:

  • orale Verfügbarkeit bei dir
  • Übergang von der Blutbahn in die Muttermilch (Medikamente, die sich an das Protein Albumin binden / schlechte Fettlöslichkeit haben / hohe Molekularemasse > 200 / saure Eigenschaften haben, gehen weitestgehend nicht in die Muttermilch über.)
  • orale Verfügbarkeit aus der Milch bei deinem Kind
  • Menge des Medikamentes
  • Halbwertzeit
  • Art der Applikation = Einnahme
  • Häufigkeit / Dauer
  • Metabolisierung, Verteilung, Aufnahme
  • Stillphase (Stadium der Milchbildung) – Die ersten Tage ist die Aufnahme in die Muttermilch höher, allerdings trinkt dein Baby die ersten Tage auch deutlich weniger. Wenn dein Kind schon Beikost bekommt, ist der Anteil der Muttermilch geringer, ebenfalls sind die Nieren deines Kindes reifer und die Ausscheidung somit effektiver.

Zur Abschätzung der Medikamentenmenge, die das Kind erreicht, spielen folgende Punkte eine Rolle:

  • absolute Substanzmenge

  • Milch/Plasma Quotient – ein niedriger Quotient < 1 spricht gegen eine Anreicherung in der Muttermilch und somit eher zu einer geringen Gefährdung, >1 mögliche Gefährdung.

  • relative kindliche Dosis, z.B. macht eine relative Dosis unter 3% eine gesundheitsgefährdende Auswirkung unwahrscheinlich. Nimmst du nun täglich das gleiche Medikament, sammelt sich dieser Stoff natürlich beim Kind an, wobei einige Stoffe vom Darm deines Babys nicht aufgenommen werden.

Die genaue Konzentration kann man nur herausfinden, indem das Blut des Kindes auf den Arzneistoff gestestet wird (aus dem Plasma).
Neugeborene zeigen eher Reaktionen als ältere Säuglinge. Ein Abpumpen, damit die Medikamente schneller aus der Muttermilch abgebaut sind, ist nicht sinnvoll und führt bei Paracetamol sogar zum Gegenteil – die Medikamentenkonzentration steigt in der Muttermilch an.

Selten zeigen sich Symptome wie: Unruhe, Änderung des Trinkverhaltens, Durchfall, Gewichtsabnahme und Schläfrigkeit.

Wann darfst du tatsächlich nicht mehr Stillen?

  • Wenn du großflächige Desinfektion mit einem Jodmedikament erhalten hast
  • (Stillpause).
  • Wenn du radioaktives Jodid gespritzt bekommen hast (Stillpause).
  • Wenn du mehrere Antiepileptika oder Psychopharmaka nimmst.
  • Bei der Einnahme von Zytostatika.
  • Bei der Einnahme von Radionukliden (Stillpause).
  • Wenn du gegen Gelbfieber geimpft wirst (Bei allen anderen Impfungen kann weiter gestillt werden.).

Ebenfalls gibt es Medikamente die die Milchbildung oder den Milchfluss vermindern können, dazu zählen z.B.:

  • Dopaminagonisten
  • Nikotin
  • Amphetamine
  • Antihistaminika
  • Barbiturate
  • Lasix
  • Alkohol
  • Opiate

Medikamente mit positiven Auswirkungen auf die Milchbildung sind z.B.:

  • gewisse Medikamente gegen Übelkeit
  • bestimmte Neuroleptika
  • gewisse Hormone
  • blutdrucksenkende Mittel

Oft genannte Medikamente, bei denen du angeblich abstillen sollst, sind: Antikoagulantien (Blutverdünnungsmittel), Glucocorticoide (Cortison), Heparin, Lokalanästhesie, Vollnarkose, Jodhaltige (nicht radioaktive!) Kontrastmittel, Magnesit / Gadolinium (für MRT Untersuchungen) – ein Abstillen ist hierbei jedoch nicht nötig!

Auch der Zahnarztbesuch stellt kein Stillhindernis da, Lokalanästhesie ist heutzutage kein Problem, auch wenn es mit Adrenalin ist, denn dieses wird im Magendarmtrakt des Kindes eliminiert. Es kann ebenfalls, wenn notwendig, für kurze Zeit Opioidanalgetika angewendet werden (ohne das eine Stillpause eingehalten werden muss, wichtig ist hier das du dein Baby gut beobachtest). Amalgam ist bei Stillenden verboten, müssen diese Füllungen entnommen werden, geschieht dies unter Kofferdamm (ein Plastikschutz, der eingesetzt wird, damit keine kritischen Stoffe verschluckt werden können).

Schon gewusst?? Heutzutage übernehmen die Krankenkassen die Zahnfüllungen von stillenden Frauen.

Homöopathische Mittel sind bei niedrigen Potenzen kein Problem, bei hohen Potenzen sollte eine Nachfrage bei oben genannten Instituten stattfinden.
Pflanzliche Mittel können ebenfalls gefährlich sein, sie können den Geschmack der Muttermilch verändern oder kontaminiert sein, zudem gibt es kaum systemische Untersuchung zu diesen Mitteln.

Allgemein sollten „ältere“ Medikamente bevorzugt werden, da es zu diesen mehr Studienwissen gibt und sie besser erforscht sind.

Lokale Anwendungen von Salben oder Hustenbonbons sind erlaubt.

Schmerzmittel der Wahl sind Ibuprofen und Paracetamol (hier die Tageshöchstdosis streng beachten). Ibuprofen ist zudem gleichzeitig antiinflammatorisch = entzündungshemmend.

Du kannst dich im Vorfeld schlau machen, welche Medikamente du nehmen kannst, oder du lädst dir die App von Embryotox herunter, damit du direkt bei deinem Arzt noch nachschlagen und ggf. Alternativen nennen kannst (diese stehen dort meist genannt, falls dein Medikament nicht stillfreundlich ist).

Solltest du dennoch eine Stillpause machen müssen, kannst du vorher Muttermilch sammeln, die du dann stillfreundlich (z.B. mit einem Becher oder einer Löffelflasche) geben kannst. Bedenke, dass du in dieser Zeit angelehnt an deine sonstige Stillfrequenz abpumpst oder per Hand gewinnst.

Quellen:
ABM Clinical Protocol 30, Breast messen, Breast Complaints and Diagnostic, Breast Imaging in the Lactating Woman
ABM Clinical Protocol 15, Analgesia and Anesthesia for the Breastfeeding Mother Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit 8. Auflage, Elsevier; Schaefer C, Spielmann H, Vetter K
Medications and Mothers‘ Milk, 17. Auflage, Springer Pub Co
European Society of Urogenital Radiology ESUR-Guidelines on Contrast Agens Expertenforum Medikamente in der Stillzeit. 10. Still- und Laktationskongress, Berlin, 2015 Schaefer C: Arzneimittel und Stillen – verträgt sich das? Stillen und Muttermilchernährung Grundlagen, Erfahrungen und Empfehlungen; Gesundheitsförderung konkret Band 3, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.), Köln 2001

E: Stillen – Rat und praktische Hilfe für alle Phasen der Stillzeit. Gräfe und Unzer, 2000 Stiftung Warentest: Handbuch Medikamente, 2000